Diese Frage trifft uns tief – in ihrer Schlichtheit, aber auch in ihrer Tragweite. Sie führt uns an die Grenzen unseres Denkens über Leben und Tod, über Sinn und Spuren, die wir hinterlassen. In der Logotherapie nach Viktor Frankl ist diese Frage keine rein theoretische. Sie ist existenziell, sie fordert uns auf zur Stellungnahme. Was ist der Sinn meines Lebens – gerade auch angesichts seiner Endlichkeit?
Wenn das Leben seine Zerbrechlichkeit zeigt
Manchmal kommt ein Moment, in dem sich das Leben anders anfühlt als zuvor. Vielleicht war es eine Nachricht vom Arzt, ein plötzlicher Verlust oder das stille Begreifen, dass mehr Zeit hinter uns liegt als vor uns. Plötzlich ist da nicht mehr nur das „Irgendwann“, sondern die spürbare Frage: Was mache ich mit dem, was noch bleibt?
Solche Einsichten erschrecken – und doch können sie ein Anfang sein. Denn in der Logotherapie ist die Endlichkeit nicht das Ende der Hoffnung, sondern der Anfang von Tiefe. Die Angst vor dem Tod ist kein Zeichen von Schwäche – sie ist Ausdruck dessen, dass unser Leben wertvoll ist. Frankl erinnert uns daran: Sinn ist keine fertige Antwort, sondern ein Ruf, der gehört werden will – und er lässt sich entdecken, gerade dann, wenn wir beginnen zu fragen: Wofür will ich jetzt leben?
Der Wert der verbleibenden Zeit
Es geht nicht darum, möglichst viel zu erleben – sondern Wesentliches zu leben. Die noch verbleibende Zeit – sei sie kurz oder lang – kann zur intensivsten unseres Lebens werden, wenn wir uns fragen:
- Für wen oder was will ich jetzt da sein?
- Was wartet noch auf meine Zustimmung?
- Wo liegt meine ganz persönliche Antwort auf das Leben, das mir geblieben ist?
Nicht selten entstehen aus der Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit tiefe Entscheidungen: Versöhnung, neue Prioritäten, der Mut, endlich das zu tun, was bisher aufgeschoben wurde.
Deine Taten – gelebte Werte
Wir hinterlassen Spuren in den Herzen der Menschen, denen wir mit Liebe, Mitgefühl und Echtheit begegnet sind. Nicht unsere Erfolge oder Besitztümer prägen unser Vermächtnis, sondern das, was wir für andere waren: Zuhörer, Mutmacher, Versöhner, Liebende. Frankl betont: “Der Mensch verwirklicht sich selbst nicht, indem er nach Selbstverwirklichung strebt, sondern indem er sich selbst vergisst im Dienst an einer Sache oder an einem anderen Menschen.”
Dein Umgang mit Leid
Auch wie wir mit Leid umgehen, prägt unser Erbe. Die Trotzmacht des Geistes – die Fähigkeit, unter widrigsten Umständen eine Haltung einzunehmen – ist eine Kraft, die über den Moment hinausstrahlt. Wer trotz Schmerz den Mut behält, wer in dunklen Stunden Hoffnung bewahrt, sendet ein stilles, aber starkes Signal an die Welt: Menschsein bedeutet Würde, selbst im Leid.
Was also bleibt?
Vielleicht ein Lächeln, das in Erinnerung bleibt. Vielleicht ein Satz, der jemanden in einer schweren Stunde getragen hat. Vielleicht eine Entscheidung, die du getroffen hast, weil du wusstest: Es ist das Richtige. Vielleicht auch nur das stille Wissen: Ich habe mein Leben nicht verschwendet.
Es geht nicht darum, wie viel Zeit bleibt – sondern was du mit ihr tust.
Denn was bleibt, ist nicht das, was wir für uns behalten, sondern das, was wir weitergeben.